Schon die beiden Mitgliederversammlungen im letzten Winter haben uns gezeigt, wie unbefriedigend und zweifelhaft Abstimmungen und Wahlen unter Zoom-Bedingungen sind. Nun soll sogar die Statutenreform unter diesen Bedingungen durchgepeitscht werden.
Eine Debatte ist unter diesen Bedingungen kaum möglich, niemand weiß, wer anwesend ist. Ein Moderator hält die Fäden in der Hand. Nur er weiß, wer sich zu Wort gemeldet hat. Viele Teilnehmer*innen sind technisch wenig versiert oder haben Scheu vor dem Medium. Wie wenn das alles nicht schon genug wäre, beklagen viele Teilnehmer*innen zweifelhafte und intransparente Vorgänge, unfaire Behandlung einiger Wahlkandidat*innen und ein fehlerhaftes Wahlergebnis.
Helmut Hohengartner hat dazu das
Vereins-Schiedsgericht angerufen.
Rund um die Mitgliederversammlung 2019 wurden die demokratischen Rechte der Mitglieder in vielfacher Hinsicht massiv beschnitten. Eine der folgenschwersten Manipulationen war die Statutenänderung. Wer dabei war, erinnert sich sicher noch an die Umstände, unter denen sie zustande kam.
Eine Anpassung der Statuten war notwendig geworden, um die Gemeinnützigkeit des Vereins sicherzustellen. Laut der neuen Statuten zählen zu den materiellen Mitteln zur Erreichung des Vereinszwecks unter anderem auch „Erlöse aus der Vergabe und dem Verkauf von Lizenzen, Rechten und Know How“. Gegen diesen Passus im Statutenentwurf wurde damals ein Antrag eingebracht, der den Mitgliedern allerdings weder zur Kenntnis gebracht noch zur Abstimmung vorgelegt wurde. Um den erwähnten Passus wurde im Rahmen der Mitgliederversammlung heftig debattiert. Letztendlich wurden die Mitglieder mit dem Ultimatum erpresst, entweder dem vorliegenden Statutenentwurf des Vorstandes ohne jede Konzession zuzustimmen oder der Verein verliere den Gemeinnützigkeits-Status und nähme dadurch großen Schaden.
Die damalige Haltung des Vorstandes musste massives Misstrauen erwecken. Was hat den Vorstand veranlasst, zu behaupten, die Streichung des umkämpften Passus würde die Gemeinnützigkeit gefährden, wenn nicht bereits damals der Verkauf von Lizenzen, Rechten und Know how konkrete Absicht oder Wirklichkeit war?
Im Juni 2020 wurde das vereinsinterne „Schiedsgericht“ mit den Vorgängen rund um die Mitgliederversammlung 2019 befasst. Bereits als es sich im Herbst abzuzeichnen begann, dass das Schiedsgericht zu keinem Ergebnis kommen werde, unterbreiteten wir mehrmals Gesprächsangebote, um die Grundlage für eine Einigung auszuloten. Jedes dieser Angebote wurde vom Vorstand kategorisch zurückgewiesen. Stattdessen erhielten 8 kritische Mitglieder, darunter die ehemalige Obfrau eine Ausschlussdrohung.
Mit Vorliegen der Tagesordnung zur Mitgliederversammlung 2020 war klar ersichtlich, dass vom Vorstand nichts unternommen worden ist, um in der Statutenfrage einen Kompromiss, eine Klarstellung oder eine offene Diskussion anzubieten. Die aktuellen Statuten lassen es nun zu, dass der Verein Lizenzen, Rechte und Know how auf was auch immer verkaufen kann. Eine Änderung ist nur mit 2/3-Mehrheit möglich. Dem Missbrauch und dem Ausverkauf sind jetzt und in Zukunft Tür und Tor geöffnet.
Eine Klage gegen das Zustandekommen der Beschlüsse der Mitgliederversammlung 2019 war nun der einzige noch offenstehende Weg und damit unausweichlich.
Bei der Mitgliederversammlung 2020 wurde ein Antrag eingebracht, bei der nächsten Statutenänderung den beanstandeten Passus dahingehend abzuändern, dass er eine Vergabe von Lizenzen, die Anmeldung geistiger Eigentumsrechte auf Sammlungsmaterial und den Verkauf von Know-How verbietet. Dieser Antrag wurde mit der überwältigenden Mehrheit von 94% der Stimmen angenommen. Damit wird nachträglich evident, dass der Vorstand bei der Mitgliederversammlung 2019 gegen den Willen einer großen Mehrheit der Mitglieder gehandelt hat.
Ohne Wahrung des Antragsrechts haben Mitglieder keine Möglichkeit, wichtige inhaltliche Themen in der Mitgliederversammlung einzubringen. So wurde seit Dezember 2019 bei jeder MV ein Antrag auf klare Kriterien für Kooperationen gestellt. 3 Versammlungen haben seither stattgefunden und jedesmal wurde der Antrag unterschlagen.
Selbstverständlich haben wir stets das Gespräch mit dem Vorstand gesucht, und stets wurden wir hingehalten.
Weiterhin blieb unsere Tür für Gespräche zur Lösung des Problems offen. Ein erstes Sondierungsgespräch fand im Februar 2021 zwischen Obmann Johannes Maurer, Obmannstellvertreterin Eva-Maria Gantar sowie Florian Walter und Helmut Hohengartner statt. Es verlief konstruktiv, erbrachte einen Fahrplan für weitere Gespräche, endete aber überraschend mit der Erneuerung der Ausschlussdrohung von Seiten des Vorstands.
Mangels Bereitschaft des Vorstands, die Entscheidungskompetenz der Mitgliederversammlung zu respektieren, stellt die vorliegende Klage eine Notwendigkeit dar, um den Rechten aller Mitglieder zum Durchbruch zu verhelfen.
"Ich wurde zum vereinsinternen Schiedsrichter vorgeschlagen und habe mich völlig unvoreingenommen und neutral in das Verfahren eingelesen. Bei der letzten Mitgliederversammlung hab ich miterlebt, wie der Vorstand mit den berechtigten Fragen und Zweifeln von Mitgliedern umgeht. Das hat mir gezeigt, wie sehr die eingebrachte Klage gerechtfertigt ist. Sie vertritt die Rechte der Mitglieder und somit auch meine Rechte auf Mitbestimmung im Verein." Niko Bösch-Weiss
1. Zu den klagenden Parteien und deren Anliegen
1.1. Die klagenden Parteien sind Mitglieder des beklagten Vereins und entweder selbst landwirtschaftlich tätig oder auf andere Weise, insbes auch auf wissenschaftlicher Ebene, der nachhaltigen Landwirtschaft und der Erhaltung der Sortenvielfalt verbunden. Es ist ihnen deshalb das weitere Schicksal und die Ausrichtung des beklagten Vereins „ARCHE NOAH, Gesellschaft für die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt und ihre Entwicklung“ (im Folgenden kurz „Arche Noah“) ein großes Anliegen.
1.2. Die klagenden Parteien (und andere Vereinsmitglieder) haben deshalb bei der jährlich abzuhaltenden ordentlichen Mitgliederversammlung des beklagten Vereins 2019, die in zwei Teilen abgehalten wurde, nämlich am 14. Dezember 2019 sowie am 1. Februar 2020, mehrere Anträge zur Tagesordnung und zur Wahl bzw Bestätigung der kooptierten Vorstandsmitglieder gestellt, die allesamt nicht bzw nicht statuten- und rechtsordnungskonform berücksichtigt wurden, wozu unten noch näher Stellung zu nehmen sein wird. Dabei geht es den klagenden Parteien einerseits um die Einhaltung vereinsdemokratischer Grundregeln und anderseits um die unveränderte Beibehaltung der Ziele des Vereins, insbes dessen nichtkommerzielle Ausrichtung und die Gewährleistung einer soliden finanziellen Grundlage ohne Schaffung von Abhängigkeiten von außenstehenden (kommerziellen) Organisationen.
1.3. Die bei der Mitgliederversammlung 2019 aufgetretenen Unregelmäßigkeiten und statuten- und gesetzwidrigen Vorgänge haben sich im Übrigen bei der Mitgliederversammlung 2020, die am 27. November 2020 (virtuell) abgehalten wurde, weitgehend wiederholt, was aber nicht Gegenstand dieses Verfahrens ist, zumal eine Anfechtung die Einschaltung der vereinsinternen Schlichtungseinrichtung voraussetzt. Die gesonderte Geltendmachung bzw eine entsprechende Klagsausdehnung bleiben jedoch ausdrücklich vorbehalten.
3.2. Wie bereits erwähnt, sind „Anträge zu den Tagesordnungspunkten“ nach § 9 der Statuten mindestens zwei Wochen vor dem Termin der Mitgliederversammlung beim Vorstand schriftlich einzureichen. Dies kann bei richtiger und gesetzeskonformer Auslegung der Statuten nur dahingehend verstanden werden, dass Vereinsmitglieder Anträge zu den Punkten, die bei der MV erörtert werden sollen, also zur Tagesordnung stellen können4. Die beklagte Partei hat diese Statutenbestimmung aber sinnwidrig dahingehend interpretiert, dass Vereinsmitglieder Anträge nur zu den vom Vorstand bereits vorgegebenen Tagesordnungspunkten stellen können, was zwangsläufig zu einer „Maulkorbtagesordnung“ führt und in der Folge auch so gehandhabt wurde (!). Diese unhaltbare Rechtsansicht wurde auch im Mitgliederbereich der Website des Vereins kommuniziert...
Diese Rechtsansicht steht nach Ansicht der klagenden Parteien in offenem Widerspruch zu den Vorgaben des Vereinsgesetzes, welches die Mitgliederversammlung zwingend als (oberstes) Organ der Willensbildung des Vereins vorschreibt. Das vom Verein durch dessen amtierenden Vorstand vertretene Verständnis läuft dagegen jedem demokratischen Grundverständnis des Vereinswesens und dem im VereinsG vorgesehenen Rangverhältnis zwischen den Vereinsorgangen Mitgliederversammlung und Vorstand zuwider, da es der Vorstand bei dieser Auslegung in der Hand hätte, jegliche Diskussion über bestimmte Themen bei der Mitgliederversammlung als dem höchsten Vereinsorgan von Vornherein auszuschließen, indem nur (ergänzende) Anträge zu der vom Vorstand bereits im Vorhinein vorgegebenen Tagesordnung zulässig sein sollen. Die zitierte Vorschrift der Statuten kann, wie schon ausgeführt, deshalb richtig nur dahingehend verstanden werden, dass Anträge zu den Punkten, die auf die Tagesordnung gesetzt und bei der Mitgliederversammlung behandelt werden sollten, dem Vorstand mindestens zwei Wochen vor dem Termin der Mitgliederversammlung bekannt gegeben („eingereicht“) werden müssen. Dabei dient die Befristung mit zwei Wochen vor dem Termin gerade dem Zweck, die endgültige Tagesordnung noch vor der Mitgliederversammlung – unter Berücksichtigung der eingelangten Anträge – zu erstellen und den Mitgliedern auch noch vor dem Termin der Mitgliederversammlung zu kommunizieren.
3.3. Aber auch die weitere Vorgangsweise des Vorstands bei der Vorbereitung der Mitgliederversammlung war nach Ansicht der klagenden Parteien vereinsrechtswidrig, wenn ausdrücklich angekündigt wurde, dass die eingelangten Anträge „gesammelt, aufbereitet und einer juristischen und inhaltlichen Prüfung unterzogen“ werden. Auch durch diese Vorgangsweise wurde - statutenwidrig und gesetzwidrig - auf die (bevorstehende) Willensbildung des Vereins in dessen Mitgliederversammlung massiv Einfluss genommen, und wurde die Mitgliederversammlung als das höchste Vereinsorgan damit dem Belieben des Vorstands ausgesetzt, der sich das „Recht“ anmaßte, die eingelangten Anträge der Vereinsmitglieder einer „juristischen und inhaltlichen Prüfung“ zu unterziehen, was ihm weder nach den Vereinsstatuten noch nach dem Vereinsgesetz zusteht.
Dies gilt entsprechend für den Umstand, dass für die TeilnehmerInnen an der Mitgliederversammlung die rechtzeitig gestellten Anträge nicht einmal ersichtlich waren und den Mitgliedern auch nicht - in einem „Antragsheft“ oder auf andere Weise – mitgeteilt wurden, geschweige denn, dass dies rechtzeitig vor der Mitgliederversammlung geschehen wäre. Die Tagesordnung wurde vom Vorstand vielmehr willkürlich nach eigenem Gutdünken festgelegt, jede Ergänzung (ohne Billigung des Verstands) ausgeschlossen, weshalb der freien, demokratischen Willensbildung in der Mitgliederversammlung von Vorneherein die Grundlage entzogen war.
Mit anderen Worten: Abgestimmt werden konnte nur über die vom Vorstand bereits vor Beginn der Mitgliederversammlung zugelassenen, also zensurierten und zum Teil auch abgeänderten Anträge, wobei auch solche Änderungen für die Mitgliederversammlung nicht einmal ersichtlich waren. Damit wurde auch die dem VereinsG immanente Transparenzpflicht grob verletzt. Davon abgesehen wurden, wie schon ausgeführt, zahlreiche, von Vereinsmitgliedern rechtzeitig eingebrachte Anträge vollständig unterdrückt, was gleichfalls nicht einmal ersichtlich gemacht wurde, geschweige denn, dass hierüber hätte abgestimmt hätte werden können6.
Nur am Rande: Bei der Mitgliederversammlung 2020 ging die beklagte Partei so weit, wahrheitswidrig zu behaupten, es wären keine Anträge zur Abänderung der Tagesordnung eingelangt (wörtliches Zitat auf der Website der beklagten Partei: „Es sind keine Anträge zur Abänderung der Tagesordnung eingegangen. Die Tagesordnung wird wie ausgesendet zur Abstimmung gebracht.“)
(c) Das eben Gesagte gilt insbesondere auch für Abänderungsanträge von Mitgliedern zur geplanten Statutenänderung, die gleichfalls völlig übergangen wurden, obwohl es sich dabei augenscheinlich sogar um Anträge zur beschlossenen (wenn auch unvollständigen) Tagesordnung des Vorstands handelte, wobei die TeilnehmerInnen an der Mitgliederversammlung auch hierüber nicht einmal informiert wurden.
So hat die vom Vorstand beauftragte „Moderatorin“ auch diese Anträge bewusst übergangen und die Diskussion und Abstimmung hierüber rechtswidrig unterdrückt. Dies gilt etwa für den Antrag eines Vereinsmitglieds, den Satz „Vergabe und Verkauf von Rechten, Lizenzen und Know-How“ aus dem Statutenänderungsvorschlag zu streichen, was mit der behaupteten Erforderlichkeit bestimmter Statutenänderungen zur Erlangung der Gemeinnützigkeit in keinem wie immer gearteten Zusammenhang steht und mit der lapidaren Äußerung übergangen wurde:
„Wir stimmen jetzt für die Statutenänderung ab, sie [die Statuten] können ja jederzeit wieder geändert werden.“
8. Urteilsantrag
All die vorstehend – gar nicht vollständig angeführten - statuten- bzw gesetzwidrigen Vorgänge im Zusammenhang mit der Kooptierung ausgeschiedener Vorstandsmitglieder, der Vorbereitung und Durchführung der Mitgliederversammlung vom 14. Dezember 2019 und 1. Februar 2020, insbesondere in Bezug auf deren Leitung, die Zulassung, Veränderung und/oder Unterdrückung von Anträgen zur Tagesordnung und deren Begründung sowie die Vorgänge um die Bestätigung bzw Neuwahl von Vorstandsmitgliedern bewirkt als grobe Rechtsverletzung11 die Nichtigkeit, jedenfalls aber die Anfechtbarkeit der bei der Mitgliederversammlung vom 14. Dezember 2019 und 1. Februar 2020 gefassten Beschlüsse, Bestätigungen und Wahlen gemäß § 7 VereinsG, wodurch die klagenden Parteien in ihren Grundrechten als Vereinsmitglieder empfindlich betroffen sind. Denn die Vorgänge, Bestätigungen, Wahlen und Beschlüsse verstoßen in gravierender Weise gegen Inhalt und Zweck des Vereinsgesetzes und gegen die guten Sitten; sie verletzen grundlegende Bestimmungen der Vereinsstatuten ebenso in gravierender Weise wie die verfassungsgesetzlich gewährleisteten demokratischen Grundrechte der KlägerInnen.