Markerbse "Blauschalige" © Helmut Hohengartner
Immer wieder höre ich das Argument, unser Engagement für eine Befreiung der Erhaltungsarbeit von der Pflanzenpasspflicht würde der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten Vorschub leisten. Diesen unsinnigen Populismus möchte ich hier entschieden widersprechen.
Beginnen wir beim Pflanzenpass selbst. Er ist kein Zertifikat für gesundes Pflanzenmaterial. Er ist lediglich eine Kennzeichnung, die es ermöglicht, den Ursprung des Materials nachvollziehen zu können. Unternehmer*innen (Vertreiber*innen, Produzent*innen) werden von der Behörde ermächtigt, ihre Produkte mit einer Nummer zu versehen, sodass sie identifizierbar sind. Diese Unternehmen handeln in Eigenverantwortung. Sie werden nur stichprobenartig, meist einmal jährlich kontrolliert. Waren mit einem Pflanzenpass sind also nicht zwangsläufig kontrolliert und auch nicht garantiert krankheitsfrei. Beim Bezug von Sämereien und Pflanzen von Erhalter*innen, wie wir sie kennen, dürfte die Nachvollziehbarkeit der Herkunft auch ohne Pflanzenpass kein unüberwindbares Problem darstellen – genauso wenig wie befürchtet werden muss, dass die Abnehmer*innen mit den erhaltenen Samen und Pflanzen Handel in großem Stil betreiben werden.
Es gibt in der EU eine Liste von Quarantäneschädlingen und eine weitere Liste von nichtquarantänepflichtigen gefährlichen Krankheiten und Schädlingen. Darin sind aber bei Gott nicht alle Krankheiten und Schädlinge enthalten. Der Pflanzenpass bestätigt nicht, dass die ausstellenden Unternehmen gänzlich frei von Schädlingen und Krankheiten sind. Er bestätigt lediglich, dass die auf den beiden Listen angeführten Krankheiten und Schädlinge in den Unternehmen nicht vorkommen. Zu anderen Krankheiten und Schädlingen gibt der Pflanzenpass überhaupt keine Auskunft.
Nun fragen wir uns auch, auf welchem Wege Bestände verseucht werden können. Krankheiten und Schädlinge fallen ja nicht einfach vom Himmel. Sie werden eingeschleppt. Und dafür besteht in großen Unternehmen eine immens größere Gefahr als bei Erhalter*innen, die in kleinem Umfang an ihren immer gleichen Sorten arbeiten. Große Betriebe pflegen regen internationalen Austausch, vermehren weltweit in Ländern mit günstigen wirtschaftlichen und klimatischen Voraussetzungen und agieren mit weitaus größeren Mengen in großflächigen Monokulturen.
Der Anbau von landwirtschaftlichen Kulturen in einer großen Vielfalt auf kleinen Flächen ist an sich schon eine wirkungsvolle Maßnahme gegen die Ausbreitung von Krankheiten und Schädlingen. Kleinflächiger Anbau unterbindet eine Massenvermehrung. Außerdem bietet er durch die intensive Verzahnung mit der umgebenden Natur und der Vielfalt an unterschiedlichen Kulturen den natürlichen Gegenspielern viel mehr natürliche Nischen.
Letztendlich ist die Behauptung, der Widerstand gegen die Pflanzenpasspflicht für Erhalter*innen leiste der Verbreitung von Pflanzenkrankheiten und Schädlingen Vorschub, eine infame Unterstellung. Sie unterstellt nämlich, dass Erhalter*innen entweder gefährliche Krankheiten und Schädlinge nicht erkennen können und die Verbreitung unabsichtlich bewerkstelligen. Oder sie geht davon aus, dass Erhalter*innen dies skrupellos mit Absicht betreiben. Zu ersterem kann nur festgestellt werden, dass dagegen auch ein Pflanzenpass nicht wirkungsvoll helfen kann. Hier würde nur Information, Beratung und Hilfestellungen nützen. Auf derartige Angebote warten Mitglieder der Arche Noah bereits seit Jahren. Und gegen unehrliche Menschen hilft der Pflanzenpass ebenso wenig. Ob sich nun Unehrlichkeit, Skrupellosigkeit und Gier auf die Reihen der Erhalter*innen beschränkt, lassen wir einmal dahingestellt.
Es liegt im Interesse jedes Vermehrers, egal ob professionell oder hobbymäßig, seine Bestände möglichst gesund und frei von Schädlingen zu halten. Nur so kann er zufriedenstellenden Ertrag und den nachhaltigen Fortbestand seiner Bestände sicherstellen. So darf man getrost erwarten, dass auch Erhalter*innen mit allen Kräften daran arbeiten, ihre Gärten möglichst gesund und schädlingsfrei zu halten.