Stellungnahme einer Erhalterin, die vom Vorstand um Feedback gebeten wurde:
Die Statutenänderung in der für die Tagesordnung der Mitgliederversammlung der Arche Noah am 3. Dez. 2021 vorgeschlagenen Form würde mir ganz großes Bauchsausen bereiten. Ich als Mitglied lege Wert auf Mitspracherecht in meinem Verein. Mitgestalten zu können ist wichtig!
Wir alle werden diese Statutenänderungen daher ablehnen. Eine Crowdfunding Plattform zu werden ist nicht das Ziel der Arche. Wir möchten weiterhin über unser Saatgut bestimmen und es für die nächsten Generationen erhalten. Es ist eine große Verantwortung die wir unseren Nachkommen gegenüber haben. Ganz vielen ist dies bewusst, dazu stehen wir, dafür kämpfen wir!
aus Vorarlberg
Ing. Melitta Sohm im Namen von Mitgliedern, Freunden, Sponsoren und Unterstützern der Arche Noah
ARCHE NOAH am SCHEIDEWEG
WEM GEHÖRT DAS SAATGUT im SAMENARCHIV?
NEUE VEREINSSTATUTEN SOLLEN ENTEIGNUNG VON MITGLIEDERN ERMÖGLICHEN
Die Arche Noah war einst das Flaggschiff im Widerstand gegen die geplante EU Saatgutverordnug, die überbordende Bürokratie und sinnlose Verbote vorsah, etwa das überzogene „Verbot Saatgut über den Gartenzaun“ zu tauschen…..
Was ist jetzt anders als 2014?
Doch die Zeiten ändern sich. Und heute kooperiert Arche Noah bereits mit der Saatgutindustrie und dem Raiffeisen Ware Austria (RWA) Konzern, indem sie jahrelang gesammeltes Know-How an die Züchtungsbranche weitergibt und sich in "kollaborativen" Projekten mit den "Schätzen des Archivs" an marktorientierter Züchtungsarbeit beteiligt. Der Verein hintergeht damit seine eigenen Mitglieder, indem er das ihm anvertraute Saatgut für andere als gemeinnützige Zwecke und zu weitgehend
unbekannten Konditionen (side letters!) weitergibt. Parallel dazu hat er das gedruckte Sortenhandbuch abgeschafft. Darin war auf Dauer nachvollziehbar dokumentiert, wer welche Sorte seit wann betreut und erhalten hat. Damit wurde die Grundlage für das im internationalen Anti-Biopiraterie-Abkommen geregelte Recht auf Geltendmachung eines "Vorteilsausgleichs" zunichte gemacht.
Was ist geplant?
Am 3.Dezember sollen die Arche Noah Mitglieder darüber abstimmen ob sie sich des Großteils ihrer Mitgliederrechte entledigen wollen, denn sie sollen bei einer online Mitgliederversammlung für ein neues Vereinsstatut stimmen, dessen verwinkelten Bestimmungen dies ermöglichen. Das pikante daran:
Stimmen sie tatsächlich dafür, verlieren sie neben ihren Selbstbestimmungsrechten auch die Verfügungsgewalt über das dem Verein treuhändisch anvertraute Saatgut im Samenarchiv. Außerdem soll dann der Vorstand ohne Angabe von Gründen und ohne Bestätigung durch die Mitgliederversammlung, also autoritär und ohne Aufsehen, Mitglieder ausschließen dürfen. Das kommt einer Enteignung ihres Anteils am kollektiven Vereinseigentum „Samenarchiv“ gleich.
Warum ist das problematisch?
Dieses Saatgut ist im Zeitalter der Klimakatastrophe von unschätzbarem Wert und somit eine strategische Ressource, denn die einseitig auf Uniformität und Ertrag gezüchteten Industriesorten funktionieren nicht mehr, da sich das Klima ändert und diese sich nicht anpassen können.
Also braucht die Industrie die vielfältigen Biodiversitätssorten als Ersatzteillager für neue, aber wieder nicht anpassungsfähige Sorten. Es geht also nicht um die Bedürfnisse der Menschen und Bäurinnen sondern rein um die kapitalistische Verwertungslogik. Diejenigen, die das Saatgut über Jahrzehnte ehrenamtlich erhalten haben, gehen leer aus und dürfen ihre Sorten nicht einmal mehr im vereinseigenen Sortenhandbuch anbieten. Dementsprechend viele ErhalterInnen haben dem Verein bereits den Rücken gekehrt. (Mitgliederzahlen nach Angaben des Vorstands von 18000 auf 14000 gesunken)
Wem nutzt das?
……
Was würden die neuen Statuten bewirken?
Die Statutenänderung soll sicherstellen, dass
· Die Geschäftsführung die Leitung übernimmt, ohne dass dies realistischerweise jemals rückgängig gemacht werden könnte.
· Der Vorstand sich immer wieder selbst ergänzt, sodass bestimmt keine neuen Ideen mehr reinkommen
· Mitglieder schnell und unbemerkt ausgeschlossen werden können
· die Mitgliederversammlung nur mehr Vorgefertigtes absegnet
(Degradierung der MV durch Sonderbefugnisse der Geschäftsführung und Antragsrecht de facto aufgehoben durch 100 erforderliche Unterschriften pro Antrag)
· Der bereits begonnene Ausverkauf des Saatguts legalisiert wird.
· Mitglieder, die Saatgut ins Archiv eingebracht haben, alle Rechte auf dieses Saatgut verlieren
·
sich Arche Noah in der Saatgutpolitik für die aufstrebende Branche der Biozüchtungsunternehmen einsetzt
ohne Einmischung lästiger Erhalter*innen, die sich von der Arche Noah eine kräftige Interessenvertretung erwarten.
Jetzt steht die Novellierung der Saatgutverkehrsgesetzgebung vor der Tür und alle Saatgutinitiativen verlassen sich auf Arche Noah, die aber in ihrem jetzigen Zustand nicht die Erhaltung der Kulturpflanzenvielfalt sondern Biozüchterinteressen vertritt.
· Mitglieder, die öffentlich über die Raiffeisen-Kooperationen reden, geklagt werden können, denn alle Mitglieder werden zu Stillschweigen verpflichtet!
Zu Ausverkauf des Saatguts: Das funktioniert zB so:
In einem geförderten Projekt wird in Kollaboration mit BOKU und Saatzucht Gleisdorf Arche Noah-Saatgut gesichtet. (auch das von selbständigen Erhalter*innen, die gar nichts von dem Projekt wissen) – was eignet sich für den Markt, der durch den Klimawandel in Bewegung gekommen ist? Diese Sorten werden samt jahrelang von Erhalter*innen geliefertem KnowHow im Abschlussbericht vorgestellt, Zielgruppe: „die Industrie“.
Werden Sorten von einer Züchtungsfirma auserwählt , kann diese sie anmelden. Befinden sie sich dann im Handelssortenregister, streicht sie Arche Noah aus dem Tauschnetzwerk.
Das gedruckte Sortenhandbuch wurde 2017 abgeschafft. Bis 2016 können wir nachweisen, welche Sorten sich als kollektives Vereinseigentum und Allgemeingut im Katalog befanden. Seitdem ist nicht mehr nachvollziehbar, was wer eingebracht hat und was wann verschwunden ist.
Ein kleiner Erfolg? Neueste Informationen zu Kooperationen mit RWA:
Laut mündlicher Auskunft der Geschäftsführung wurde heuer ein neues Kooperationsangebot abgelehnt, weil es nicht den Arche Noah Kriterien entsprochen habe. Die Anfrage, welchen Kriterien es nicht entsprochen hat, blieb unbeantwortet. Ein für Mitglieder einsehbarer Kriterienkatalog liegt bis dato nicht vor. Es bleibt also weiterhin wichtig, Kriterien zu fordern:
Kooperation dürfen Saatgutsouveränität, Erhaltungsnetzwerk und Samenarchiv nicht beeinträchtigen.
Gemeinsame Stellungnahme von 6 Mitgliedern
2 der Unterzeichnenden wurden vom Vorstand um Feedback gebeten
Sehr geehrte Damen und Herren im Vorstand der Arche Noah,
danke für Ihr Bemühen, Stellungnahmen zu den beabsichtigten Statutenänderungen bereits im Vorfeld zu sammeln und damit – spät aber doch – zumindest in einem kleinen Kreis eine Diskussion in Gang zu setzen. Spätestens seit unserem Gespräch Anfang Juni, damals noch im Beisein von Frau Höltl, dürfte Ihnen unser grundsätzlicher Vorbehalt bereits hinlänglich bekannt sein.
Drei Gründe möchten wir hier nochmals hervorstreichen:
- Der Statutenentwurf wurde von einer kleinen Personengruppe mit intransparenten Partikularinteressen und ohne Einbindung weiterer Mitgliederkreise erstellt. In letzter Sekunde dem Entwurf einen demokratischen Anstrich zu verpassen, indem ausgewählte Mitglieder um ihre Meinung gefragt werden, ist zu wenig. Wichtige Interessensgruppen sind nie zur Mitgestaltung eingeladen worden.
- Die vorgeschlagene Machtverschiebung innerhalb des Vereins ist tiefgreifend und radikal umwälzend. Die Notwendigkeit dazu ist nicht erkennbar.
- Der vorliegende Entwurf kann nicht durch Kritik an einzelnen Paragraphen bzw. Korrektur bestimmter Passagen zufriedenstellend umgestaltet werden. Er bedarf einer grundlegenden Diskussion. Daher erübrigt sich eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Inhalt für uns im Augenblick.
Wie schon die Mitgliederversammlung 2020 sowie die ao. Mitgliederversammlung im März 2021 deutlich gezeigt haben, bietet eine Online-Veranstaltung weder den erforderlichen Rahmen für eine befriedigende Diskussion unter den Mitgliedern noch konnte eine korrekte und nachvollziehbare Abstimmung bzw. Wahl sichergestellt werden. Daher fordern wir Sie eindringlich dazu auf, entweder die geplante Mitgliederversammlung unter Wahrung der vorgeschriebenen Sicherheitsvorkehrungen als Präsenzveranstaltung anzusetzen oder die Diskussion und Abstimmung über die Statutenänderungen auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben.